23.04.2024
Pfingsten Das Fest der Verständigung

Pfingsten Das Fest der Verständigung

Das Fest der Verständigung

Als ich in den Kindergarten kam, da sprach ich nur meine Muttersprache, Hochdeutsch. Am allerersten Tag schaute mich meine Kindergärtnerin an und sagte: Solange du nicht richtig reden kannst, schweigst du.

Ich schwieg zwei Monate. Als ich den Mund wieder aufmachte, da kam ein «Chrüsimüsi» der verschiedenen Dialekte heraus. Tja, das kann passieren, wenn man in einem Vorort von Olten wohnt.

Auf alle Fälle habe ich gelernt, dass man nur dazugehört, wenn man die richtige Sprache spricht und ja nicht auffällt.

An Pfingsten hat sich das Gegenteil ereignet. Wegen des jüdischen Wochenfestes war Jerusalem voller Wallfahrer aus der ganzen Welt. Entsprechend war die Sprachenvielfalt auf den Strassen. Als dann die Jünger Jesu kamen und den vielen Menschen aus allen Herren Länder von der Auferstehung Jesu erzählten und sie einluden, sich von dieser grossartigen Botschaft berühren zu lassen, da war die Verwirrung perfekt. Sprachen die Jünger nun plötzlich mehrsprachig?

Wie auch immer: An Pfingsten wurde das Evangelium erstmalig vom gängigen Aramäisch in andere Sprachen «übersetzt». Das Evangelium wurde für andere Sprachen verständlich.

Das ist nicht nur eine linguistische Herausforderung. Denn jede Sprache hat ihre Kultur, hat ihr eigenes Denken und Fühlen. Ich selbst denke und fühle anders, ob ich es in Hochdeutsch tue oder in meinem «Chrüsimüsi-Dialekt». Wie unterschiedlicher ist es da in Sprachen, die noch weiter voneinander entfernt sind als Hochdeutsch und Schweizerdeutsch.

Das bringt mich auf den Gedanken, dass das Evangelium vom allerersten Moment an vielgestaltig war. Vielleicht hat das Christentum deshalb so lange «überlebt», weil es den Glaubenden gelungen ist, ihren Glauben in neue Sprachen zu übersetzen und von verschiedenen Kulturen zu lernen. Vieles aus anderen Kulturen ist in die christliche Theologie und in christliche Riten und Traditionen eingeflossen. Wie verschieden wird der christliche Glaube über die ganze Welt gelebt.

Das würde dann aber auch heissen, dass es eine Einheit der Christenheit nur in der Vielfalt geben kann. Und das ist ein Gedanke, der mir gefällt.

Um so mehr freue ich mich auf den Pfingstgottesdienst, den ich gemeinsam mit Kurt Meier gestalte. Er ist Kirchenmusiker an der katholischen Dreifaltigkeitskirche in Bern und leitet dort unter anderem den Chor «Voce Umana». Ich bin gespannt auf das Miteinander der beiden Konfessionen, das gemeinsame Singen mit Mitgliedern des Chores, das Hören aufeinander und den Austausch. Und ich bin gespannt auf die gemeinsame Predigt, die Kurt Meier und ich gestalten werden.

Sabine Wälchli, Pfarrerin

zurück